PD DR. MED. ECKHARD LÖHDE
WAS IST DAS BESONDERE AM ZWERCHFELL
Eigentlich ist jedes Organ und jede noch so kleine Struktur des menschlichen Körpers etwas ganz "Besonderes"! Ein Unterschied ist jedoch, dass wir gerade über das Zwerchfell noch immer so wenig wissen. Dieses hauchdünne, aus elastischen Muskel- und Faszien bestehende Organ entzieht sich unseren herkömmlichen diagnostischen Mitteln. Kein CT, MRT, Endoskopie, Ultraschall oder Röntgen kann uns seine Funktion, seine Verformung beim Atmen, Husten oder Niesen von Augen führen.
Welche Funktion hat diese einzigartige Struktur im Zusammenspiel mit den übrigen Organen? Wie entsteht Schluckauf? Warum projiziert sich seit je her der Sitz der Seele gerade immer auf das Zwerchfell?
Noch immer Fragen über Fragen und dabei schreiben wir schon das Jahr 2022!
WARUM BRICHT DAS ZWERCHFELL?
Im Allgemeinen heißt es immer "Zwerchfellbruch". Doch was ist eigentlich gebrochen?
Das Zwerchfell besteht aus mehreren, funktionell vollkommen unterschiedlichen Arealen.
Die am häufigsten betroffene Schwachstelle betrifft die Stützmuskulatur im sog. Hiatus, dem Durchgang der Speiseröhre. Alle andere Areale sind unversehrt und stabil.
Während das Zwerchfell etwa so groß ist wie zwei Din A4 Blätter, misst dieser kleine Problembereich nur wenige cm. Betroffen sind die sog. Crura. Die Crura sind eigenständige Muskeln, die von der übrigen Zwerchfellmuskulatur getrennt aber auch wieder mit ihr verwoben sind. Sie sind die entscheidenden Ordnungsmuskeln des Hiatus. Sie winden sich links und rechts um die Aorta herum, und finden wieder zusammen: Zum einen, um die Speiseröhre zu unterstützen, und zum anderen, um den Bauch- und Brustraum sicher von einander getrennt zu halten.
Aber die Crura sind sehr verletzlich, nur wenige mm immnDurchmesser und nicht wie andere Muskeln durch eine feste Faszie gesichert. Das ist jedoch: Jeden Tag werden sie durch Husten, Pressen, Belastungen und Vielem mehr Kräften ausgesetzt, die ständig an diesen beiden kleinen "Muskelchen" zerren.
Liegen bestimmte Voraussetzungen vor in Hinblick auf Winkel, Ansatz und Stärke der Crura, geben die beiden Muskeln nach und brechen auseinander. Die Folgen kennen Sie: Organe verlieren ihren Halt und Funktionsstörungen treten auf.
WELCHE SYMPTOME SIND TYPISCH?
Bei Reflux sind Sodbrennen und aufsteigende Schmerzen hinter dem Brustbein typische Alarmzeichen. Wein, Kaffee, Fruchtsäfte und auch Süßspeisen werden nur mit säureblockierenden Medikamenten vertragen.
Viele Patienten dürfen spät abends nichts mehr essen und müssen mit erhöhtem Oberkörper schlafen. Erreicht der Reflux dennoch die Luftröhre, schrecken die Patienten mitten in der Nacht mit plötzlichen Hustenanfällen hoch. Morgens klagen Patienten über schlechten Geschmack im Mund, Mundgeruch und Verschleimung.
Infektanfälligkeit mit häufigen Antibiotikagaben bis hin zu chronischen Bronchitiden und asthmaartigen Anfällen begleiten einige Patienten über Jahre. Die aufsteigenden Gase können dabei Reizungen der oberen Atemwege, chronischen Hustenreiz, Schleimbildung, Heiserkeit oder wiederholte Entzündungen der Nasennebenhöhlen verursachen.
Unabhängig vom Reflux kann es auch zu einer akuten oder chronischen Einklemmung von Gewebe im Zwerchfellschlitz kommen. Druckgefühl im Oberbauch, Übelkeit und Schmerzausstrahlung in den Rücken werden angegeben. Es ergeben sich Symptome wie Herzrasen, Schmerzen im Brustkorb und sogar Atemnot. Die Patienten fühlen, dass sie nicht mehr tief durchatmen können, weil das Zwerchfell blockiert. Nicht selten besteht ein erhöhter Blutdruck, der mit Medikamenten behandelt wird. Die ausgiebige Diagnostik des Herzens zeigt keine Auffälligkeiten.
Patienten mit einem Zwerchfellbruch sind oft schnelle Esser. Sie schlucken viel Luft, die den Magen und den Darm aufbläht.
Lesen Sie demnächst gern auch etwas über "untypische Symptome" in verschiedenen an mich gerichteten Patientenbriefen.
WAS BEDEUTET EIN BARRETT-ÖSOPHAGUS?
Über das Thema Barrett werden Sie viel bei mir lesen: Es ist einfach zu wichtig!
Als Folge des Reflux können sog. Barrett-Zellen entstehen. Dies sind Zellen der Speiseröhre, die sich in Magenzellen umwandeln, weil das umgebende Milieu mittlerweile mehr dem Magen entspricht als einer normalen Speiseröhre. Solche Umwandlungen sind nicht ungefährlich und über mehrere Stufen hinweg können sich Krebszellen entwickeln.
Lesen Sie weitere Blogs zu diesem Thema.
Haben sich Zellen einmal umgewandelt, gilt allgemein, dass sie nie wieder ausheilen können. Derartige Zellumwandlung können auch nicht durch Säureblocker in hohen Dosen rückgängig gemacht werden, da PPI ja ausschließlich den Säuregrad reduzieren können aber der ungebremste der Rückfluss des gesamten Magensafts einschließlich der Gallensäuren bleibt weiterhin bestehen. Sogar unter laufender PPI-Therapie können sich Barrettzellen entwickeln.
Dennoch gilt es für Barrett-Patienten, in dieser Situation die Medikamente in normaler Dosis einzunehmen, um damit für eine gewisse Entlastung oder Schleimhäute zu sorgen.
Nach wie vor ist unklar, warum Patienten mit eher geringen Beschwerden plötzlich ein Barrett bekommen und andere trotz erheblicher Verätzung wiederum nicht. Die Rolle einer möglichen genetischen Disposition ist noch nicht beantwortet.
Was ich Ihnen aber beantworten kann ist, dass nach erfolgter l.oe.h.d.e.-Operation und Wiederherstellung des natürlichen Verschlusses jetzt für alle Substanzen, kleinere und frühzeitige entdeckte Barrett-Veränderungen ausheilen können.
WELCHE ANDEREN OP VERFAHREN GIBT ES?
Fundoplikatio
Bei dieser Operationen wird der obere Anteil des Magens aus seiner natürlichen Verankerung mit Zwerchfell und Milz herausgelöst und dann wie ein Schal um die Speiseröhre gewickelt. Damit soll der offenbar erkrankte und verschlussunfähige Speiseröhrenmuskel von außen eingeengt und unterstützt werden. Wird der Magen vollständig um 360 Grad herumgewickelt, spricht man von einer Operation nach Nissen, bei 270 Grad von Toupet.
Linx
Beim Linx-Verfahren wird anstatt des Magens nun eine Metall-Magnetkette um die Speiseröhre gewickelt. Die Magneten klicken zusammen und das Organ wird zugedrückt. Beim Essen und Trinken muss man gegen die Magnete anschlucken. Es gilt zu beachten, dass das starke Magnetfeld bei der MRT-Untersuchungen die Linx-Kette an sich ziehen und zur Gefährdung führen kann.
Mischformen
Es werden immer wieder Verfahren „angeboten“, die scheinbar Neues versprechen. Tatsächlich handelt es sich aber um traditionelle Operationsformen der Fundoplikatio, die etwas variiert und mit zusätzlichen Applikationen vermischt werden, wie z.B. die Einlage von Titannetzen etc.. Hier gilt es, sehr wachsam das chirurgische Vorgehen zu prüfen.
Netze
Herkömmliche Netze einfach im Bauchraum auf das Zwerchfell zu legen und zu hoffen, dass das irgendwie hält, ist extrem kritisch zu beurteilen. Zusammen mit den Fixationstackern können sie heftigste Verwachsungen verursachen. Auch bei Titannetzen platzt die Titanbeschichtung alsbald ab und übrig bleibt ein normales Kunststoffnetz.
Wichtig
Die Hiatusregion ist unglaublich empfindsam. Für Eingriffe in diesem Bereich sind immer ausgewiesene Spezialisten gefordert mit täglicher Operationserfahrung und möglichst 100 Hiatusoperationen und mehr pro Jahr.
WELCHE WEITEREN BEHANDLUNGEN GIBT ES?
Medikamente:
Zahlreiche Präparate blockieren die Produktion der scharfen Salzsäure im Magen. Dadurch werden die Beschwerden oft gebessert. Der Mageninhalt läuft zwar weiterhin zurück in die Speiseröhre, aber es kommt weniger zu schmerzhaften Verätzungen der Schleimhäute.
Diese Medikamente müssen natürlich das ganze Leben und in immer stärkeren Dosen eingenommen werden. Denn die eigentliche Ursache, nämlich die Verschiebung der Organe, kann damit nicht geheilt werden. Werden die Medikamente abgesetzt oder reduziert, kommen die Beschwerden sofort zurück.
Wichtig: Neben der Säure fließen auch immer Gallensäuren, Pepsine, Enzyme, Bakterien, Essenreste etc. hoch in die Speiseröhre. Diese können von den Medikamenten nicht neutralisiert werden, so dass viele Patienten nie vollkommen beschwerdefrei werden.
Grundsätzlich muss bedacht werden, dass, abgesehen von den Nebenwirkungen der Medikamente, nun keine Säure mehr bereit steht für den natürlichen Schutzmantel des Magens, die Verdauung, die Darmbakterien etc.. So kann z.B. das Vitamin B12 nicht mehr aus der Nahrung aufgenommen werden und es gilt, weitere Nebenwirkungen der Medikamente auf den Cacium-Haushalt und die Leber über die Jahre zu beachten.
Endoskopische Therapie:
Es sind unterschiedliche Versuche unternommen worden, die Speiseröhre endoskopisch zu verengen.
So wurden endoskopisch gewebeschädigende Substanzen und sogar radioaktive Elemente tief in die Wand der Speiseröhre eingespritzt (Enteryx-Verfahren, Stretta-Verfahren). Die empfindliche Wand der Speiseröhre wurde dadurch zerstört. In der Folge entstanden tiefe Narben mit Sanduhr-artiger Verengungen in der Speiseröhre.
Alle diese Verfahren sind aufgrund der schlechten Ergebnisse aufgegeben, bzw. sollten aufgegeben worden sein.
ÜBERNIMMT MEINE KRANKENKASSE DIE KOSTEN FÜR DIE OP?
Eine gute Nachricht
Mittlerweile werden die gesamten Klinikkosten bei einer Operation von allen gesetzlichen und privaten Krankenkassen übernommen.